BRK schlägt Alarm- Flüchtlingskrise nicht mehr allein ehrenamtlich leistbar
Statement von Theo Zellner, Präsident des BRK: 1. Derzeitige Situation: 10.000 Flüchtlinge erreichen täglich den Freistaat, zunächst in München, mit dem Beginn des Oktoberfests wurde das Problem in die Grenzregionen verlagert. Besonders betroffen sind aktuell die Grenzregionen Berchtesgadener Land, Rottal-Inn, Passau und Freyung-Grafenau – das kann sich jederzeit und sehr kurzfristig verschieben, je nachdem, wie die österreichische Seite die Flüchtlinge an die Landesgrenze bringt. Nach unserem Eindruck funktioniert die Weiterverteilung der Flüchtlinge weder zwischen den Bundesländern nach dem Königsteiner Schlüssel noch innerhalb Europas – hier fehlt die Solidarität zwischen allen Beteiligten – und die Hauptlast trägt derzeit der Freistaat Bayern.

Die Hauptlast innerhalb unseres Landes tragen überwiegend die Ehrenamtlichen der Hilfsorganisationen. Über 700 Helferinnen und Helfer sind täglich im Einsatz – rund um die Uhr. Zu den Hauptaufgaben zählen neben der Ertüchtigung von Notunterkünften in den Landkreisen und Kommunen seit gut 5 Wochen auch die medizinische Erstversorgung, die sanitätsdienstliche Betreuung und die Ausstattung der ankommenden Flüchtlinge mit Kleidung, Schuhen und Verpflegung. Am aufwändigsten sind aber mittlerweile die Zugbegleitungen geworden – Sonderzüge werden von der Bahn nur noch bereitgestellt, wenn pro Zug mindestens ein Sanitäter-Team an Bord ist. Damit erspart sich die Bahn teure und zeitraubende Zwischenaufenthalte an Bahnhöfen zur notfallmedizinischen Versorgung der Flüchtlinge. Wir besetzen derzeit zusammen mit den anderen HiOrgs pro Tag 8 Züge mit eigenen Teams! Alles ausschließlich Ehrenamtlich!!!
Hier ein griffiges Beispiel: Am verg. Sonntagnachmittag hat uns die Deutsche Bahn gemeldet, dass in einem Zug von Freilassing nach Norddeutschland mit mehreren Stunden Verspätung die Verpflegung aufgebraucht war und in Augsburg, also mit 2 Stunden Vorlauf, um Essenspakete für 750 Menschen gebeten wurde. Wir haben das hinbekommen – rein ehrenamtlich, durch Organisationsgeschick unserer Leute und durch die Hilfe der Metro AG; die uns am Sonntag Zutritt zu ihrem Lebensmittellager verschafft hat.
2. Ungeregelte Zuwanderung überfordert das Ehrenamt- hauptamtliche Kräfte gefordert
Das geht so nicht mehr weiter! Unsere Ehrenamtlichen sind für den Notfall gerüstet, wir sind durchhaltefähig für maximal 2-3 Wochen, jetzt sind es bereits 5 Wochen und ein Ende ist nicht in Sicht. Viele Ehrenamtliche müssen zurück zum Arbeitsplatz, zur Uni oder zur Familie, die sie teilweise über Wochen nicht mehr gesehen haben.
Politik und Gesellschaft können dauerhaft nicht erwarten, dass Krisenlagen dieser Art, Dimension und dieses Zeitumfanges von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bewältigt werden. Wenn auf unsere Leistung als größte Hilfsorganisation weiterhin Wert gelegt wird, brauchen wir hauptamtliche Unterstützung.
Wir erwarten vom Freistaat Bayern jetzt eine klare und verbindliche Zusage, dass wir überall dort, wo wir derzeit tätig sind, die wesentlichen Funktionen durch bezahlte Mitarbeiter ersetzen können. In den 4 Brennpunkt-Landkreisen sind dies jeweils 10 Mitarbeiter, für die Koordination in München in den Stäben benötigen wir weitere 5 Mitarbeiter, für das Management der Zugbegleitungen sind noch einmal 5 Mitarbeiter von Nöten. Zum Teil können diese Leistungen auch von Soldaten der Bundeswehr übernommen werden, hier erfahren wir derzeit eine sehr gute Unterstützung.
3. Freistellung und Helferentschädigung – keine Ungleichbehandlung zwischen den Einsatzkräften mehr!
Diese Situation führt uns aber zur Hauptforderung des BRK und aller anderen Hilfsorganisationen in Bayern: Wir brauchen dringend einen wirksamen gesetzlichen Freistellungsanspruch für die alarmierten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Hilfsorganisationen.
Konkret fordern wir die Gleichstellung mit den Einsatzkräften der freiwilligen Feuerwehren in Bayern, die einen umfassenden gesetzlichen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit und auf vollständige Entschädigung ihres Verdienstausfalles durch den Staat haben.
Es kann nicht sein, dass bei der nächtlichen Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft in einer Schulturnhalle der alarmierte Feuerwehrmann Freistellung und Lohnersatz hat und am nächsten Tag ausschlafen darf, während der Ehrenamtliche der SEG Betreuung des BRK einen solchen Anspruch nicht hat und am nächsten Tag übernächtigt in die Arbeit gehen muss.
Spätestens in dieser Krisensituation wird wieder einmal erkennbar: Ehrenamtliches Engagement ist das Rückgrat eines funktionierenden Sozialwesens. Es darf nicht nur mit wohlfeilen Worten, mit Dankesurkunden oder netten Helferempfängen gelobt werden, es muss motiviert und fair behandelt werden. Dazu zählt, dass ein Ehrenamtlicher nicht auch noch materielle Schäden/Ausfälle selbst zu tragen hat, wenn er schon Aufgaben für die Gesellschaft übernimmt.
Ich fasse zusammen:
1. Wir appellieren an die Politik, den Flüchtlingsstrom zu kanalisieren und die ankommenden Menschen sowohl in Deutschland als auch in Europa gerecht zu verteilen. Unsere Helferinnen und Helfer schaffen es sonst nicht mehr, jedem Flüchtling ein Mindestmaß an menschenwürdiger Behandlung zukommen zu lassen.
2. Wir brauchen staatliche Finanzierung hauptamtlicher Helfer für Medizinische Untersuchungen, Zugbegleitungen und Koordinierung der Einsätze.
3. Wir fordern die Gleichstellung aller Einsatzkräfte der Hilfsorganisationen mit den Kräften der Feuerwehr, also Freistellung von der Arbeit im Falle der Alarmierung und vollständigen Ersatz des Verdienstausfalls.